Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, holen sich eine Tasse Kaffee und spielen dann Ihre Träume der vergangenen Nacht wie einen Film ab. Es klingt wie etwas direkt aus einem Science-Fiction-Thriller, aber laut einigen Experten könnte die Technologie, die dies ermöglicht, näher sein, als wir denken. Dr. Peter Bentley schreibt für BBC’s Science Focus, meint, dass es bei der Idee einer KI, die Träume aufzeichnet, nicht um das „Ob“, sondern um das „Wann“ geht. Und er könnte damit etwas auf der Spur sein, denn aktuelle Entwicklungen in der Gehirnbildgebung und KI scheinen darauf hinzudeuten, dass wir diesem einst weit hergeholten Konzept immer näher kommen.
Die Wissenschaft hinter der Traumaufzeichnung
Bevor wir uns in die zukünftigen Möglichkeiten vertiefen, ist es wichtig, die aktuelle Wissenschaft zu verstehen, die eines Tages Traumaufzeichnungen Wirklichkeit werden lassen könnte. Ein japanischer Forschungsstudie hat bereits einige Grundlagen gelegt. Die Forscher verwendeten funktionelle Magnetresonanztomographie-Scanner (fMRI), um die Gehirnaktivität schlafender Teilnehmer aufzuzeichnen. Doch die Sache hat einen Haken: Die Studie konzentrierte sich nicht auf Träume. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Schlafbeginn – die ersten paar Schlafphasen, in denen Menschen visuelle Bilder erleben, die leichten Halluzinationen ähneln. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen konnten die Wissenschaftler verschiedene wahrgenommene Objekte, wie etwa einen Schlüssel oder eine Person, anhand der während dieser Phase beobachteten Gehirnaktivität klassifizieren.
Allerdings handelte es sich dabei nicht um echte Träume, sondern nur um die ersten visuellen Bilder, die uns beim Einschlafen über den Kopf wachsen. Die Forscher entschieden sich aus praktischen Gründen für diesen Ansatz: Die Teilnehmer konnten sofort aufwachen und beschreiben, was sie sahen, wodurch es einfacher wurde, die Gehirnaktivität bestimmten Bildern zuzuordnen. Dies ist zwar bahnbrechend, aber noch weit davon entfernt, ausgewachsene Träume aufzuzeichnen und wiederzugeben.
Um von der Vorstellung des Einschlafens zur vollständigen Traumaufzeichnung zu gelangen, bräuchten die Forscher eine enorme Menge detaillierter fMRT-Daten von träumenden Probanden. Und hier wird es knifflig. Zum einen müssten sich die Probanden in diesen Studien außergewöhnlich gut an ihre Träume in allen Einzelheiten erinnern können, was nicht jeder kann. Eine genaue Traumerinnerung ist entscheidend, da sie als Grundlage für die Überprüfung der Vorhersagen der KI über den Traum dienen würde.
Noch schwieriger ist die Frage, wie sich diese Daten konsistent und zuverlässig erfassen lassen. Dr. Bentley räumt ein, dass wir zwar über umfangreiche Datensätze von fMRI-Gehirnaktivitäten verfügen, die aufgezeichnet wurden, während die Teilnehmer wach waren – Videos ansahen, gesprochenen Wörtern zuhörten oder Texte lasen –, dass es jedoch weitaus schwieriger ist, ähnliche Daten während des REM-Schlafs zu erfassen, wenn die Träume am lebhaftesten sind.
Ist GenAI das fehlende Bindeglied?
Nehmen wir einmal an, dass es den Forschern gelingt, die erforderlichen fMRT-Daten von träumenden Teilnehmern zu sammeln. Der nächste Schritt wäre, diese Daten zu verwenden, um eine KI zu trainieren, die in der Lage ist, Gehirnaktivität in eine visuelle oder textliche Darstellung des Traums zu übersetzen. Hier könnte generative KI ins Spiel kommen. Generative Modelle wie Sora von OpenAI und Lumiere von Google DeepMind sind bereits in der Lage, Videosequenzen zu erstellen, die die chaotische und surreale Natur von Träumen nachahmen.
Theoretisch könnte man eine von einer Traumaufzeichnungs-KI generierte Textbeschreibung in eines dieser generativen Modelle einspeisen, um eine Videosequenz zu produzieren, die den Inhalt des Traums widerspiegelt. Doch dabei gibt es einen wesentlichen Vorbehalt. Diese KIs können nicht wirklich Gedanken lesen. Sie gleichen Muster der Gehirnaktivität mit Bildern ab, die sie zuvor gesehen haben, und fügen diese Bilder dann zu einer zusammenhängenden, wenn auch etwas surrealen Erzählung zusammen.
Wie eine der Quellen erklärt, könnte das fertige Video „gruselig traumähnlich“ aussehen und viele Elemente des ursprünglichen Traums enthalten, aber es wäre keine exakte Kopie. Die generative KI wüsste nicht, ob ihre Ausgabe Ihren Traum genau widerspiegelt; sie würde lediglich zusammensetzen, was Sie ihrer Meinung nach gesehen haben könnten, basierend auf der Gehirnaktivität, die sie zu interpretieren gelernt hat.
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Die Idee, Träume aufzuzeichnen und wiederzugeben, wirft eine Reihe ethischer Fragen auf. Zunächst einmal: Welche Auswirkungen hätte diese Technologie auf die Privatsphäre? Träume sind sehr persönliche Erfahrungen, die oft unsere tiefsten Ängste, Wünsche und Erinnerungen widerspiegeln. Die Möglichkeit, sie aufzuzeichnen, könnte – insbesondere wenn die Technologie weithin verfügbar wird – zu Situationen führen, in denen sich Menschen unter Druck gesetzt fühlen, ihre Träume mitzuteilen oder sogar zu manipulieren.
Darüber hinaus würde die Genauigkeit einer solchen Technologie ständig überprüft. Wie bereits erwähnt, sind diese KIs keine perfekten Gedankenleser, sondern Mustererkenner. Sie könnten zwar Traumsequenzen produzieren, die unheimlich vertraut wirken, aber es ist unwahrscheinlich, dass es sich dabei um vollkommen genaue Darstellungen handelt. Dies könnte zu potenziellen Missverständnissen oder Fehlinterpretationen führen, insbesondere wenn Traumaufzeichnungen in rechtlichen oder psychologischen Kontexten verwendet werden.
Es stellt sich auch die Frage der technischen Machbarkeit. Obwohl fMRT-Geräte inzwischen weiterentwickelt wurden, sind sie immer noch sperrig und laut, sodass es schwer vorstellbar ist, eine ganze Nacht lang durchzuschlafen. Tragbare, geräuschlose fMRT-Geräte, die die Gehirnaktivität aufzeichnen können, ohne den Schlaf zu stören, wären eine erhebliche Hürde, die es zu überwinden gilt, bevor die Traumaufzeichnung Realität werden könnte.
Der Weg in die Zukunft
Was bedeutet das also für uns? Dr. Bentley meint, dass es angesichts des rasanten Tempos der KI-Forschung und -Entwicklung nicht überraschend wäre, wenn jemand irgendwo bereits an einer KI zur Traumaufzeichnung arbeitet. Er räumt jedoch auch ein, dass diese Technologie wahrscheinlich noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, von der praktischen Anwendung entfernt ist.
Derzeit ist die Vorstellung, unsere Träume nachzuspielen, noch Spekulation. Doch da die Forschung zu Gehirnaktivität und künstlicher Intelligenz immer weiter voranschreitet, könnte das, was heute wie Science-Fiction klingt, morgen durchaus Realität sein. Bis dahin bleiben unsere Träume unsere eigenen – flüchtig, geheimnisvoll und unaufgezeichnet.
Bildnachweise: Kerem Gülen/Mitten auf der Reise